Bild- und Textausschnitte Mittelamerika

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In Panamastadt angekommen, geht es ohne Umschweife zur hiesigen Schiffsagentur, wo wir hocherfreut erfahren, dass der Frachter bereits eingetroffen ist und derzeit gerade entladen wird. Also, nichts wie los zum Hafen. Beim Kontrollposten am Hafeneingang legen wir unser durch einen ganzen Stapel von Papieren dokumentiertes Anliegen dar. Die zuvorkommende Hilfsbereitschaft der Beamten haben wir wohl dem Rollstuhl zu verdanken und was wir selbst beim grössten Optimismus nicht zu hoffen wagten, wird Tatsache: Bereits am frühen Nachmittag fahren wir mit unserem Auto aus dem Hafengelände. Sogar sonst üblicherweise anfallende Unkosten wie Hafen- oder Entladegebühren bleiben uns erspart.

Für die meisten Besucher Panamas ist wohl der Kanal als eines der grössten von Menschenhand errichteten Bauwerke die Hauptattraktion. Schon mit der Entde­ckung des Pazifiks im Jahre 1513 begann der Wunschtraum einer Wasserverbindung zwischen dem Atlantischen und dem Pazifischen Ozean. Die Spanier muss­ten sich während ihrer Anwesenheit auf der Landenge mit zwei kräfteraubenden, oft von Freibeutern überfallenen Mauleselpfaden begnügen, welche dann Mitte des 19. Jahrhunderts durch die interozeanische Eisenbahn ersetzt wurden. Der Erbauer des Suezkanals, der französische Ingenieur Ferdinand de Lesseps, nahm sich auch hier dem Projekt eines schiffbaren Kanals an und im Januar 1881 erfolgte der erste Spatenstich. Die geplanten Arbeiten gingen jedoch nur schleppend voran und Tausende von Arbeiter starben an Tropenkrankheiten. Bauzeit- und Kostenberechnungen mussten laufend nach oben korrigiert werden und schon bald war ersichtlich, dass sich die französische Gesellschaft an dem Bauwerk übernommen hatte. Nach siebzehnjähriger Bautätigkeit unter französischer Leitung und nach über zwanzigtausend, vor allem an den Folgen von Malaria und Gelbfieber gestorbenen Menschen, wurden die Arbeiten im Jahr 1898 eingestellt.

Nach jahrelangen Verhandlungen nahmen die Amerikaner 1904 das bereits fortgeschrittene Projekt erneut in Angriff. Eine das ganze Land heimsuchende Epidemie liess aber Tausende von Arbeitern die Flucht ergreifen und brachte den Bauherren die Einsicht, dass den gesundheitlichen Belangen absolute Priorität eingeräumt werden musste. So ging man zuallererst einmal daran, Arbeiterwohnungen, Kantinen, Kühlhäuser, Kanalisationen und Wasserreservoirs zu errichten, die Städte vom Unrat zu reinigen und die Mückenplage zu bekämpfen. Im Bereich des Kanalbaus wurden die Eisenbahnlinie erweitert und stärkere Lokomotiven und Bagger angeschafft. Ironischerweise war es dann ein französisches Schiff, das am 7. Januar 1914 als erstes den 81,6 Kilometer langen Panamakanal durchfuhr. Für einen ansehnlichen Teil der Welthandelsflotte ist die Durchfahrt infolge des zu grossen Tiefgangs der modernen Schiffe nicht mehr möglich, trotzdem benützen jährlich immer noch etwa dreizehntausend Schiffe den Kanal. Am 31. Dezember 1999 geht die bisher von Panama und den USA gemeinsam verwaltete Kanalzone vollumfänglich in panamesische Hände über.

 

Die Einreise nach Costa Rica erweist sich als ziemlich kompliziert, zeitraubend und verhältnismässig teuer, da eine Strassen-benutzungsgebühr bezahlt sowie eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden muss. Somit sind wir seit Argentinien erstmals wieder versichert unterwegs. Dafür hat man uns die Orangen gelassen. Erwartungsvoll fahren wir in die „Schweiz Mittelamerikas", wie Costa Rica auch gerne genannt wird. Diesen Übernamen hat das kleine, flächenmässig gegenüber unserem Heimatland um etwa einen Viertel grössere Land, seiner politischen Stabilität und der modernen Verfassung zu verdanken. Bereits 1948 schaffte Costa Rica die Armee ab und ersetzte sie durch eine fünftausend Mann starke Polizei. Auch wenn die Nachbarländer immer wieder von Bürgerkriegen und Revolutionen heimgesucht wurden, so blieb Costa Rica doch eine Insel des Friedens. Die relativ stabile politische und wirtschaftliche Lage widerspiegelt sich in einem höheren Lebensstandard, was sich dem Besucher durch schmucke Häuschen mit gepflegten Gärten offenbart.

Unseren ersten Abend in diesem Land verbringen wir an einem wunderschönen, palmenumsäumten Strand am Pazifik. Das Farbenspiel der untergehenden Sonne bewundernd, taucht die Frage auf, wann wir das letzte Mal in solcher Idylle, ungestört von Lärm oder Insekten, bis in die späte Nacht draussen im Freien sitzen konnten? Es muss jedenfalls schon eine ganze Weile her sein.

Die Osterprozessionen von Antigua sind mittlerweile weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Am Palmsonntag beginnen die Anwohner der Strassen, durch die die Prozession führt, bereits um fünf Uhr morgens mit dem Anlegen von bunten Teppichen aus Blumen, Piniennadeln, Pflanzensamen oder gefärbten Sägespänen. Vor allem die Bildnisse aus Sägespäne erfordern viel Aufwand und Geduld. Die Grundlage des Teppichs bildet eine dicke Schicht feuchter Sägespäne. Sorgfältig wird das künftige Kunstwerk ausgemessen und unterteilt. Mit einem Sieb streuen nun die Männer eingefärbtes Sägemehl darüber, bis das abgesteckte Feld einheitlich bedeckt ist. Die biblischen Symbole und Figuren entstehen durch Streuen von leuchtend farbigem Sägemehl auf zuvor angefertigte Schablonen. Mindestens eine Person ist vollauf damit beschäftigt, den sich über viele Quadratmeter ausbreitenden Teppich fortwährend mit Wasser zu besprühen, da sonst der kleinste Luftzug die Arbeit vieler Stunden davon wehen könnte. Den Kunstwerken ist auch so nur ein kurzes Leben beschieden, denn wenn am Nachmittag Hunderte von Prozessionsteilnehmer darüber hinweg gewandert sind, dürfte wohl kaum mehr viel davon zu erkennen sein.

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Einige Minuten später wird ein zweiter, zwar etwas kleinerer, aber immer noch imposanter Altar mit der Jungfrau Maria herangeschleppt. Dieses Mal aber tragen  Frauen die schwere Last. Später versuchen wir herauszufinden, wie viel die Altare wohl wiegen mögen, doch die einzige Antwort, die wir immer wieder zu hören bekommen, lautet: „Mucho, amigo, muuuyy mucho - viel, mein Freund, sehr viel!“

Da heute Karfreitag ist, wollten wir eigentlich auch der hiesigen Prozession beiwohnen, doch wird diese erst spät in der Nacht abgehalten. Dafür hören wir von einem Osterspiel, das auf dem Fussballplatz des Dorfes stattfinden soll. Wir haben nicht die geringste Ahnung, um was es sich bei diesem Anlass handelt. Der Fussballplatz besteht lediglich aus einer sandigen, pflanzenlosen Fläche, umsäumt von Erdwällen und Steinmauern, auf welchen sich schon viele Zuschauer, fast ausschliesslich Indios, versammelt haben. Auf dem Feld tummeln sich Burschen in Frauengewänder mit von weither lesbarer Aufschrift „Judas". Einige haben sich zudem mit Perücken und Masken verkleidet und sind mit Baumästen sowie schrill lärmenden Hupen bewaffnet. Zwei ältere Männer machen mich darauf aufmerksam, dass mein momentaner Standplatz nicht empfehlenswert sei, da hier demnächst Pferde durchreiten und ein Krieg stattfinden würde - die Vertreibung des Judas. Also suche ich mir einen etwas sichereren Platz, doch kann ich ja nicht wie die anderen Zuschauer einfach auf eine Mauer klettern. Die verkleideten Burschen vertreiben sich bis zum Beginn der Darbietung die Zeit mit Fussballspielen oder bespritzen sich gegenseitig mit dem stinkenden Wasser des Flusses, der etwas weiter oben durch jene Müllhalde fliesst. Die Zuschauer kriegen dabei auch ihren Anteil ab, was aber niemanden gross zu stören scheint.

 

Dann endlich treffen die ersten, die Rolle der Römer ausübenden Reiter ein und hüllen sogleich den ganzen Platz in eine dicke Staubwolke. Die Juden schlagen mit Ästen auf die Pferde ein. Die Reiter versuchen ihrerseits, die Juden zu fangen oder zu vertreiben. Manchmal gelingt es, einen Reiter - er versinnbildlicht für die Zuschauer die spanischen Eroberer - vom Pferd zu reissen, was zur Gaudi des Volkes öfters zu Handgreiflichkeiten führt. Die Pferde schiessen gelegentlich bedrohlich auf die Zuschauer zu und bedecken allesamt mit einer dicken Staubschicht. In meiner ungeschützten Position fühle ich mich nicht allzu wohl, zumal einige Reiter ziemlich betrunken sind und ihre Tiere nicht mehr über alle Zweifel erhaben beherrschen.

Am Karsamstag beginnt der fröhlichere Teil der Osterwoche. Die ernsten Prozessionen sind vorbei und auf unserer Weiterfahrt nach Huehuetenango kommen wir zufällig in ein kleines Dorf, wo eine Marimba-Musik zum Tanz aufspielt. Die Tänzer sind in aufwändige, wahrscheinlich Maya-Götter darstellende Kostüme gekleidet. Ausser den Kostümierten tanzt sonst niemand mit und obwohl die Musik sehr rhythmisch ist und zum Tanzen verleiten könnte, scheint sie die vielen Zuschauer absolut kalt zu lassen. Auch nachdem jeweils ein Stück zu Ende gespielt ist, applaudiert niemand und die Anwesenden harren, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, der Dinge, die da kommen. Andauernde Unterdrückung und Ausbeutung hat diesen Menschen wohl jeglichen Sinn zum Ausdruck von Freude und Heiterkeit genommen.

Auch in Mittelamerika begeistern uns in die Märkte, wobei jene von Guatemala besonders authentisch und farbenprächtig sind.

 

Tikal, mächtigste Stadt und grösstes Zeremonialzentrum des Maya-Landes, liegt mitten im Dschungel des Petén. Der Regenwald ist, dank der Erklärung der weiteren Umgebung Tikals zum Nationalpark, noch weitgehend intakt. Und gerade die Synthese von himmelstürmenden, bis zu 64 Meter hohen Pyramiden, von Menschen einer längst versunkenen Kultur geschaffen, und der Natur, die sich ihr angestammtes Revier wieder zurückerobert hat, macht Tikal so einmalig. Auf unserer Wanderung zu den Ruinen entdecken wir schon nach wenigen Schritten die ersten Tukane, währenddessen die Brüllaffen mit ihrem schauerlichen Gebrüll auf sich aufmerksam machen. Vorbei an teilweise noch überwachsenen Tempeln und Pyramiden nähern wir uns dem Zentrum der Anlage. Plötzlich gibt der Wald den Blick auf die beiden wichtigsten, beinahe wolkenkratzerähnlichen Tempel frei. Nur absolut Schwindelfreien ist der Aufstieg über die sehr steilen und hohen Treppenstufen zu empfehlen. Ich muss natürlich auf eine Besteigung verzichten, doch der Anblick dieser majestätischen Bauwerke ist auch aus meiner Froschperspektive äusserst beeindruckend. Das Erkunden der weiträumigen Anlage ist spannend, da es immer wieder neue Tempel und überwucherte Relikte zu entdecken gibt. Die körperliche Anstrengung in der enormen Hitze ist aber gross und wird von vielen Besuchern unterschätzt, wie von jenen direkt aus dem kalten Norden eingeflogenen Touristen älteren Jahrgangs, die bald mit hochrotem Kopf und dem Zusammenbruch nahe nach Luft japsen.

 

Ein weiterer Abstecher bringt uns in ein Brüllaffen-Schutzgebiet. Mit dem obligatorischen Führer hatten wir uns schon gestern Abend auf heute in der Früh verabredet und nun trifft er pünktlich ein. Wir rechnen mit einer längeren Wanderung, aber bereits nach fünf Minuten scheint diese in einem kleinen Wald zu enden. Unser Begleiter reizt mit einem lauten „oik, oik“ die Affen und schon lärmt es ohrenbetäubend über uns. Die Affenfamilie sitzt hoch oben in der Baumkrone und schaut auf uns hinab. Während des Wartens auf weitere Aktivitäten seitens der Affen erklärt unser Betreuer noch einige Pflanzen, drängt dann aber schon bald zur Rückkehr.

 

Palenque ist eine weitere faszinierende Ruinenstadt der Mayas, welche aus immer noch ungeklärten Gründen von ihren einstigen Erbauern und Bewohnern verlassen wurde und in der Folge in Vergessenheit geriet und vom Dschungel überwuchert wurde. Die ersten Ausgrabungen im modernen Sinne fanden erst ab 1940 statt.

 

Enttäuscht lassen wir die Küste und Cancún hinter uns und besuchen Chichén Itzá, eines der besterhaltenen und imposantesten Maya-Zentren. Der riesige Parkplatz und das gewaltige Besucherzentrum lassen die Vermutung aufkommen, dass wir wohl nicht die einzigen sind, die dieses Kulturdenkmal besichtigen wollen. Da derartige Streifzüge durch die Vergangenheit immer auch mit körperlichen Anstrengungen verbunden sind und die enorme Hitze im Laufe des Tages noch zunimmt, finden wir uns bereits am frühen Morgen am Eingangstor ein. Diese Tatsache ist offenbar noch nicht bis zu den Reiseveranstaltern durchgedrungen, denn ausgerechnet um die Mittagszeit, bei schier unerträglicher Hitze, treffen die klimatisierten Reisebusse in Scharen ein und entladen ihre bleichgesichtige Touristenfracht. Wir indessen streben, sehnlichst auf eine frische Brise hoffend, der Nord­küs­te zu.

Kloster in Yucatan, Mexiko

                                                                     Dem Ziel entgegen - Nordamerika

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