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Ein Wegweiser macht uns auf eine Zufahrt zum Grand Canyon ausserhalb des Nationalparks aufmerksam. Durch grandiose Landschaft führt eine wenig befahrene Piste zum in einem Indianerreservat gelegenen Hochplateau. Die Strasse endet bei einem kleinen Flugplatz, wo eine Aufenthaltsbewilligung einzuholen ist. Danach fahren wir an die Abbruchkante des Grand Canyons und parken das Auto auf einem Felsvorsprung, der wie eine Plattform in die gewaltige Schlucht hinausragt. Das Panorama ist schlichtweg atemberaubend. Der Blick schweift über unwirklich farbige Felswände, rostbraun in vielen Schattierungen, über bizarre Vorsprünge und Türme mit zerbrechlichen Felsspitzen, Pyramiden und abgeflachte Kegel, scharf eingekerbte Schluchten und sanft gerundete Mulden. Je nach Tageszeit und Sonnenstand ändern sich die Farbtöne und auch die Schatten der vorbeisegelnden Wolken tragen das ihre dazu bei. Das dramatische Finale findet aber während des Sonnenuntergangs statt, dann wird das gigantische Amphitheater mit Rot und Gold, Rosa und Grün, Orange und Violett übermalt

 

Death Valley

Schon kurz hinter dem „Tal des Todes" stellen sich die schneebedeckten Viertausender der Sierra Nevada wie eine unüberwindliche Barriere in den Weg. Die Optik täuscht nicht: Um zum auf der anderen Seite des Gebirgszuges gelegenen Sequoia Nationalpark zu gelangen, ist ein grosser Umweg erforderlich. Dort gibt es dann die mächtigsten Bäume unseres Planeten zu bestaunen. Wie winzig klein macht sich doch ein Auto oder gar ein Mensch vor diesen Giganten aus. Die Daten des Sherman Tree, des volumen-mässig grössten Baumes, veranschaulichen die Riesenhaftigkeit dieser Pflanzen: Gewicht 1’256 Tonnen; Höhe 83,8 Meter; Umfang 31,3 Meter; Durchmesser 11,1 Meter; Volumen 1’486,6 Kubikmeter. Mindestens 2’500 Jahre waren erforderlich, um diese Masse zu erreichen. Die Bäume des Giant Forest, dieses wahrhaftig gigantischen Waldes, sind denn auch die ältesten Lebewesen der Erde. Stünden diese Bäume nicht derart abgelegen, sondern in Rom oder Kairo, was hätten sie nicht schon alles gesehen!

Yosemity NP

Golden Gate Bridge, San Francisco

Gleichsam der wunderschönen Nationalparks ist auch San Francisco ein Muss jeder Kalifornienreise. Obwohl schon mehrere Male durch Erdbeben und Feuersbrünste zerstört, zieht diese Stadt die Menschen nach wie vor in ihren Bann. Die phantastische Lage am Meer, das ausgeglichene Klima und das bunte Völkergemisch, gepaart mit einem vielleicht etwas freieren Denken als anderswo, mögen Gründe dafür sein.

Hier stossen wir auch wieder auf die Pazifikküste, welcher wir fortan so weit wie möglich folgen wollen. Viele Tausend Kilometer sind wir während dieser Reise schon dem Pazifik entlang gefahren und an seiner Wildheit ändert sich auch hier nichts. Neu für uns ist hingegen das unbeschwerte Geniessen dieser Schönheit. Jede kleinste Sehenswürdigkeit wird auf Hinweistafeln genauestens beschrieben und zahlreiche Aussichtspunkte oder Picknickplätze laden zum Verweilen ein. Seit der Ankunft in den USA kommt uns die Reise wie Urlaub vor. Die Nächte verbringen wir in einem Wald, an einem Fluss oder irgendwo in der Steppe. Vor Räubern müssen wir uns nicht mehr fürchten, höchstens vor eifrigen Sheriffs oder Aufsehern, die uns vom Platz weisen wollen. Es wäre einfach, einen der unzähligen Campingplätze aufzusuchen, doch sind uns diese erstens zu unromantisch und zweitens zu teuer. Wir campieren lieber in freier Natur oder notfalls auf einem Parkplatz und picken uns die interessantesten Sehenswürdigkeiten oder Aktivitäten aus dem überaus reichhaltigen Angebot heraus. Dazu gehören weitere Nationalparks, der Besuch der Boeing-Werke bei Seattle oder solche Kuriositäten wie ein Wettstreit im Sandburgenbauen.

 

Sonnenuntergang an der kalifornischen Pazifikküste

Der Weg nach Alaska ist weit

In Watson Lake treffen wir erstmals auf den Alaska-Highway. Beim Besucherzentrum des Ortes befindet sich der berühmte Tafelwald mit Fahrzeugnummern- und Ortsschildern aus Ländern rund um den Globus. Als erster nagelte 1942 ein heimwehkranker Soldat aus Illinois die Tafel seines Wohnortes an einen Pfahl. Andere folgten seinem Beispiel und liessen den Tafelbestand immer weiter anwachsen. Zur Zeit hängen rund 37’000 Schilder an einem Wald von Holzpfählen und jährlich kommen rund weitere 7’000 dazu.

 

Erst am zweiten Tag, nach vielen Stunden des Wartens, macht sich unter der Handvoll Wartenden eine aufgeregte Hektik breit. Eine Braunbärin mit einem Jungen erscheint am Flussufer. Zielstrebig watet das mächtige Tier, das putzige Kleine im Gefolge, durch das seichte Wasser in unsere Richtung. Nur wenige Meter von uns entfernt sucht die Bärin nach den schwimmenden Leckerbissen. Die Beobachter verhalten sich mucksmäuschenstill und eine Aufseherin ermahnt mit leiser Stimme, sich für einen allfälligen Rückzug bereit zu machen. Die Bärenmutter nimmt aber keinerlei Notiz von den Menschen, schwimmt im tieferen Teil des Flusses einige Züge und entfernt sich dann, ohne einen Fisch gefangen zu haben, leider allzu bald wieder. Weiter flussabwärts rennen die beiden in ihrem trottenden Gang übermütig durch Wiesen und Wasser. Es sieht so aus, als hätte es sich bei diesem Intermezzo eher um einen Morgenspaziergang mit Bad gehandelt als um eine Fischjagd.

Im hohen Norden finden wir weitgehend unberührte Wildnis und fantastische Camps in freier Natur

Im Besucherzentrum von Dawson ist wiederum viel über Vergangenheit und Gegenwart oder Flora und Fauna zu erfahren. Eindrückliche Fotos und Filme bewegen uns zu dem spontanen Entschluss, den Dempster Highway hochzufahren. Die 730 Kilometer lange Schotterstrasse führt durch unendliche Wälder aus schlanken Fichten, Birken und Weiden und überquert bei Kilometer 407 den Nördlichen Polarkreis. Längst befinden wir uns im Gebiet des Permafrosts, doch je mehr wir uns nun dem Polarkreis nähern, umso dünner wird die während des kurzen Sommers aufgetaute Erdschicht. Den Wurzeln der grösseren Pflanzen bleibt zu wenig Raum, was dazu führt, dass Bäume und Sträucher immer mehr verkrüppeln, bis sie schliesslich ganz ausbleiben und der artenarmen Graslandschaft der Tundra weichen. Die Strasse überquert Gebirgszüge und mächtige Flüsse und verbindet, einer Nabelschnur gleich, das unweit des Nördlichen Eismeeres liegende Inuvik mit dem Rest der Welt. Im Winter könnte man sogar über die zu Eis erstarrten Sümpfe und Flüsse bis zum Eismeer fahren.

Mit dem Bau des Dempster Highways wurde bereits 1959 begonnen. Zwei Jahre danach erfolgte ein Baustopp, doch die Erdölkrise der Siebziger Jahre war Grund genug, die Arbeiten wieder aufzunehmen. 1979 konnte die Strasse schliess-lich eröffnet werden. Erdöl fand man auch, doch lohnte sich ein Abbau bisweilen noch nicht. Die Strasse folgt mehr oder weniger der alten Fallensteller- und Pat­rouillenroute der Königlichen Kanadischen Polizei, kurz RCMP. Der Staat unterhielt bereits während der Zeit des Goldrausches selbst in den abgelegensten Gegenden Polizeistationen und die Routen zwischen den weit auseinander liegenden Posten wurden sogar im äusserst harten Winter mit Hundeschlitten abgefahren. Solche Einsätze blieben auch nicht vor Tragödien, wie jener des Winters 1910, verschont. In der irrigen Meinung, der lange Weg nach Dawson City wäre mit leichteren Schlitten schneller zurückzulegen, beschloss der Führer der Polizeipat­rouille weniger Nahrungsmittel als sonst mitzunehmen. Extreme Kälte und Stürme liessen das Team aber langsamer als geplant vorankommen. Zu spät erkannten die Männer, dass die Lebensmittel nicht ausreichen würden. Sie versuchten, zum Basis­lager zurückzukehren und verspeisten dabei in ihrer Not die Schlittenhunde - vergeblich, die vier Männer kamen dort nie an. Die verschollene Patrouille wurde erst im März 1911 von Sergeant Dempster - ihm zu Ehren trägt nun die Strasse seinen Namen - nur dreissig Kilometer vom lebensrettenden Ziel entfernt tot aufgefunden.

 

Fairbanks ist die zweitgrösste Stadt Alaskas und ein weiterer Ort, der sein Entstehen dem Goldrausch zu verdanken hat. Hier ergänzen wir unsere Vorräte und nehmen bald darauf den berüchtigten Dalton Highway in Angriff. Diese Strasse führt entlang der Ölpipeline ans Nördliche Eismeer. Nirgends sonst ist es auf dem Amerikanischen Kontinent möglich, mit einem Fahrzeug derart weit in den Norden vorzudringen. Früher konnte der Dalton Highway nur mit einer Spezialbewilligung befahren werden, heute ist er jedoch für jedermann frei zugänglich. Allerdings geniessen die schnellfahrenden Lastwagen absolutes Vortrittsrecht, welches man ihnen im eigenen Interesse auch besser gewährt. Die meisten Touristen begnügen sich damit, bis zum Polarkreis zu fahren, um dort das obligate Erinnerungsfoto zu schiessen.

 

Die Schotterstrasse windet sich hügelauf und hügelab und überquert schliess-lich auf dem 1’400 Meter hohen Atigun-Pass die Kontinentale Wasserscheide. Immer in Sichtweite zieht sich die Pipeline durch die Landschaft. Der Ölschock von 1973 bewirkte, dass man sich über hohe Erstellungskosten sowie ökologische Bedenken hinwegsetzte, wobei der Permafrost die Ingenieure am meisten herausforderte. In einer eingegrabenen Pipeline würde das warme Öl den gefrorenen Boden auftauen und die Leitung folglich deformieren. So sah man sich gezwungen, die Pipeline auf 78’000 Stützen mindestens anderthalb Meter über Grund zu führen. Diese Höhe musste aber auch noch aus anderen Gründen eingehalten werden: Riesige Karibuherden, mit einer Population von bis zu einer Viertelmillion Tieren, müssen die Pipeline auf ihren jährlichen Wanderungen ungehindert passieren können. Die 1’300 Kilometer lange Leitung wurde 1977 fertiggestellt. Sie überquert mehrere Gebirgszüge und über 800 Flüsse und Bäche.

Langsam wird es Zeit, wieder in wärmere Gefilde zu ziehen. Das Tageslicht reduziert sich täglich um sechs Minuten und bereits Ende August fallen nachts die Temperaturen teilweise unter Null. In rascher Folge nehmen die Pflanzen herbstliche Farben an. Den dunkelgelben Gräsern folgen die Sträucher und Laubbäume mit leuchtendem Gelb, Orange und Rot. In klaren Nächten halten wir schlotternd nach dem Phänomen des Nordlichtes Ausschau. Das galaktische Schauspiel versetzte früher die Menschen in Angst und Entsetzen. Kein Wunder, denn die in wahnwitziger Geschwindigkeit am dunklen Firmament hin und hertanzenden Lichtstreifen mussten sie an das Werk übermächtiger Geister und Götter glauben lassen. Trotz der enormen Distanzen wird die Fahrt eigentlich nie langweilig oder eintönig. Jeden Moment können Wildtiere unseren Weg kreuzen. Wer mit offenen Augen durch das Land fährt, sieht bestimmt täglich ein Elch, Hirsch, Bär oder Adler.

Unterwegs treffen wir auf dieses Ungeheuer von einem LKW: In Amerika ist eben alles etwas grösser!

Der Yellowstone Nationalpark bietet innerhalb eines relativ kleinen Gebietes Einmaliges. Da dampfen, sprudeln, zischen und gurgeln Hunderte von heissen Quellen und Geysiren und allenthalben steigen schwefelhaltige Dampfschwaden in den Himmel. Ungefährdet fühlt man sich dem glühenden Erdinneren nah. Und beinahe ebenso gut wie im Zoo sind die zahlreichen Bisons, Hirsche, Elche, Wölfe, Kojoten und noch vieles mehr zu beobachten. Manche Tiere lassen sich weder durch Autos noch durch Menschen stören. Wer wundert sich da noch über die Beliebtheit dieses Parks?

Im Bryce-Canyon hat der Winter schon Einzug gehalten

Auf die einmaligen Landschaften des Colorado-Plateaus im Südwesten der USA freuen wir uns schon lange. Kaum sonst irgendwo ist das Wirken der schöpferischen Kräfte der Erde sichtbarer als hier. Wasserläufe, Wind und Wetter schufen während Jahrmillionen eine Welt voll einzigartiger Formen und Farben. Dabei kommt die Abwechslung nie zu kurz. Wer die tieferen, wüstenhaften Regionen verlässt und eines der zahlreichen Gebirge ansteuert, befindet sich bald - wie eben erlebt - in bewaldeten alpinen Zonen. Schlag auf Schlag folgen sensationelle Landschaftsbilder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Bereichert wird dieses Wechselbad der Natur noch durch die Jahreszeiten, insbesondere den Spätherbst. Dann leuchten die Laubbäume entlang der Flüsse und Bäche unter strahlend blauem Himmel in bunter Farbenpracht.

 

 

Ein weiteres Naturwunder sind die sogenannten Slot-Canyons. Diese sehr engen Schluchten sind aus der Vogelperspektive als solche kaum zu erkennen, höchstens als schmale Risse in der Erdkruste. Im Inneren einer solchen Spalte eröffnet sich einem eine phantastische Welt. Der bekannteste und meistfotografierte Slot-Canyon ist der Antelope Canyon in der Nähe von Page, Arizona. Er befindet sich im Reservat der Navajo-Indianer und ist im Gegensatz zu den meisten anderen einfach zugänglich, sogar mit dem Rollstuhl. Die geschäftstüchtigen Navajos nutzen diese Umstände und verlangen für die Besucherbewilligung sowie die Hin- und Rückfahrt mit einem Geländewagen (ein Besuch auf eigene Faust ist nicht erlaubt) happige Preise.

Die Schlucht ist anfangs noch etwa zwei bis drei Meter breit, verengt sich dann aber für einen Moment, um sich nach der nächsten Biegung unerwartet wieder zu weiten. Der Sandstein wurde vom unauffindbaren Fluss im Laufe der Zeit gehobelt, gefräst und glattgeschliffen. Die verschiedenen Gesteins- und Mineralschichten sind freigelegt und zeichnen nun im diffusen Licht Muster in verschiedensten Rot- und Brauntönen. Strömungen und Wirbel haben das weiche Gestein modelliert, haben Windungen, Kurven und Kanten geschliffen, die je nach Sonneneinstrahlung dauernd sich verändernde Schatten werfen. Die Natur hat hier ein Kunstwerk geschaffen, wie es keine Menschenhand verwirklichen könnte. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da der Flusslauf flach ist, kann ich mich mit dem Rollstuhl zwar langsam, aber immerhin selbständig durch den knöcheltiefen Sand vorwärts bewegen, währenddessen Sonja immer wieder neue Kameraeinstellungen sucht. Leider allzu schnell vergeht die kurze Stunde.

Das unfruchtbare, kaum besiedelte Gebiet lockte schon immer nach Bodenschätzen suchende Glücksritter an. Gold und Silber wurde in einigen Gegenden auch gefunden, einen regelrechten Boom löste jedoch in den Fünfziger Jahren die Entdeckung von Uran aus. Als Folge der eifrigen Bergbautätigkeit errichteten die Betreiber ein Netz von teils halsbrecherischen Strassen durch das schwer zugängliche, von Colorado und Green River arg zerfurchte Land. Die Bergwerke sind schon längst wieder verlassen, doch die Wege blieben und sind nun ein Eldorado für Geländewagenfahrer oder Mountainbiker.

Da diese Routen durch phantastische Landschaften führen, nehmen auch wir die eine oder andere unter die Räder. Tagelang holpern und rumpeln wir über Felsen, durch Flussbette oder tiefen Sand. Manchmal sind sehr steile, stufenförmige und mit Felsbrocken gespickte Passagen zu bewältigen und mehr als einmal haben wir Zweifel, ob unser Beni das auch schafft. Bravourös meistert er alle Hindernisse und erklettert einer Bergziege gleich die schwindelerregendsten Passagen. 

Als es gilt, einen schon seit mehr als vierundzwanzig Stunden in einem steilen Aufstieg festhängenden Geländewagen zu befreien, kommt auch unsere Seilwinde wieder einmal zum Einsatz. Der Wagen drohte über den Abgrund abzurutschen und so blieb dem jungen Paar nichts anderes übrig, als das Fahrzeug mit Abschleppseil und Steinen zu sichern und ihre Utensilien auf eine sichere Ebene zu bringen. Wenigstens führen sie eine Campingausrüstung und genügend Lebensmittel mit sich. Da der Geländewagen nur wenig unterhalb des flachen Plateaus stecken blieb, ist es ein Leichtes, ihn an die Seilwinde zu hängen. Die Frage ist nur, ob diese auch einer härteren Belastung standhält, denn seit der improvisierten Reparatur unserer argentinischen Freunde haben wir sie ja nie mehr gebraucht. Wider Erwarten arbeitet die Seilwinde einwandfrei und langsam erscheint die Schnauze des Chevrolets an der Kante des Plateaus. Als der Wagen endlich auf sicherem Gelände steht, umarmen uns die beiden Amerikaner vor Freude und Erleichterung.

 

Teamwork. Ich wollte schon immer einmal in einem dieser eindrücklichen Felsenfenster stehen. Als ich 1982 das erste Mal - damals noch alleine - hier war, war das allerdings nicht möglich. Nun, mit gemeinsamer Anstrengung ...

 

schafften wir es, und ehrfürchtig bestaunte ich nun dieses grossartige Naturwunder.

 

Monument Valley

 

Es gibt Fotos oder Bilder, welche auf Anhieb faszinieren und dem Betrachter den eindringlichen Wunsch vermitteln, diesen Ort aufzusuchen. Alle Hebel werden in Bewegung gesetzt, um den Standort des Motivs herauszufinden. So erging es uns mit dem Antelope Canyon wie auch mit Pariah, einer auf einem Reiseführer abgebildeten Ghost Town. Die beiden fotogene Orte sind gar nicht weit voneinander entfernt. Am Anfang der ins abgelegene und verlassene Tal des Pariah-Flusses führenden Erdstrasse warnt eine Tafel unübersehbar mit der Aufschrift „impassable when wet" - „bei Regen unpassierbar". Davon kann zur Zeit keine Rede sein, denn beim Eintreffen in der „Geisterstadt" senkt sich die Sonne gerade von einem wolkenlosen Himmel und lässt das mineralhaltige Gestein der umliegenden Berge und die verlassenen, windschiefen Holzhäuser nochmals in kräftigen Farben aufleuchten. Bei der „Geisterstadt" handelt es sich um eine alte Filmkulisse, die schon Gegenstand vieler Wildwestfilme war. Die wahren Überreste des vor bald hundert Jahren infolge dauernder blutiger Auseinandersetzungen mit den Indianern verlassenen Ortes sollen sich etwas weiter entfernt befinden. Den Friedhof finden wir noch vor Einbruch der Dunkelheit, doch die Suche nach den Ruinen oder was immer noch von dem Dorf übrig geblieben ist, wollen wir morgen fortsetzen.

 

Nicht nur Beni wird gefordert, nein, auch wir mühen uns mit Muskelkraft ab, um an besonders spektakuläre Aussichtspunkte in tiefe, zerklüftete Schluchten, zu eindrücklichen Gesteinsformationen, Naturbrücken, Fenstern in Felswänden oder prähistorischen Indianersiedlungen zu gelangen. Die einstigen Bewohner dieser längst verlassenen Wohnstätten wussten die Gegebenheiten der ausgewaschenen Landschaft optimal auszunutzen, indem sie die mit perfekten Steinmauern gefertigten Häuser in überhängende Felswände bauten, welche nur über Leitern oder durch mühsame Kletterei erreichbar waren, dafür aber Schutz vor Wind, Wetter und Feinden gewährten. Den Höhepunkt ihrer Kultur erreichten diese Völker Ende des elften Jahrhunderts. Und gerade zu diesem Zeitpunkt wurden ohne ersichtlichen Grund die meisten dieser grossartigen Siedlungen verlassen. Einmal mehr hinterlässt eine präkolumbianische Kultur viele Rätsel.

 

Auf unserem weiteren Weg zur Spitze der Halbinsel Niederkalifornien locken auch noch andere wunderschöne Orte am Meer zum Verweilen. Aber auch das Landesinnere bringt immer wieder erstaunliche Überraschungen, vor allem wenn man die Gegend auf den schlechten und kaum befahrenen Wegen erkundet. Da gibt es einsame und längst verlassene Missionen, kolorierte Gebirgszüge mit schroffen Canyons oder Dattelpalm-Oasen, durchsetzt mit farbenprächtigen Sträuchern. Noch schöner präsentiert sich die Baja nach den Gewitterregen des Sommers - dann verwandelt sich die ausgetrocknete Landschaft in ein blühendes Blumenmeer.

Alles, was in dieser Halbwüste wächst, hat Stacheln und Dornen - ein Kakteen-Labyrinth, an dem sich schon die spanischen Eroberer vor mehr als vierhundert Jahren blutig gerieben hatten. Eine Erfahrung, die der Besucher auch heute noch macht. Naturliebhaber bezeichnen die Baja California mitunter auch als surrealistische Traumlandschaft. Von den 120 Kakteenarten findet man deren 50 nur hier, darunter eine bis 25 Meter hohe eingliedrige Riesenkaktee. Dem dornigen Charakter dieser grandiosen Feindseligkeit verdanken zudem viele bedrohte Tiere eine Zuflucht.

Die geschützte Bahia Concepcion mit ihrem ruhigen und klaren Wasser ist mir von meinem letzten Besuch her noch in bester Erinnerung. Hatte ich damals die ganze riesige Bucht fast für mich alleine, stehen nun amerikanische Wohnmobile in Reih und Glied eng beieinander. Nebst dem ganzen Rummel vermiesen einem auch noch die lärmenden und stinkenden benzinbetriebenen Generatoren den Aufenthalt, also nichts wie weiter! Am Ende der Bucht führt ein schmaler Weg zur bergigen Landzunge hinaus, welche die Bahia de la Concepcion vom offenen Meer abtrennt. Hier ist weit und breit niemand zu sehen und bald ist ein idyllischer Platz direkt am glasklaren Wasser gefunden. Bis Sylvester werden wir es hier bestimmt aushalten!

Aus den vorgesehenen „einigen Tagen“ werden schliesslich 5½ Wochen. Die Zeit vergeht mit Schreiben, Lesen, Faulenzen und Tiere beobachten wie im Fluge. Als Erstes entdecken wir gleich einen kleinen Skorpion der giftigsten Art. Zahlreiche Hasen bevölkern die umliegende Gegend und nachts hören wir oft das helle Jaulen und Kläffen der Kojoten. Einmal jagt ein Kojote nahe an uns vorbei einem Hasen nach. Morgens versammeln sich jeweils Fregattvögel und Geier - die Flügel zum Trocknen weit gespreizt - auf den Spitzen der riesigen  Orgelkakteen. Kormorane, Möwen und Pelikane stürzen sich wie Kamikaze ins Wasser, um dann mit einem zappelnden Fisch im Schnabel wieder loszufliegen und täglich stelzt ein Reiher auf der Suche nach Nahrung durchs seichte Wasser. Kleinere und grössere Gruppen von Delphinen ziehen manchmal durch die Bucht und jeden Abend lässt die untergehende Sonne den Himmel in einer wahren Farbenorgie explodieren.

 

Nach einem weiteren harten Fahrtag stehen wir am späten Nachmittag endlich am Abgrund zur ersten Schlucht des Kupfer-Canyons. Durch den Qualm eines Waldbrandgebietes geht es im Licht der untergehenden Sonne sehr steil in die Schlucht hinab. Unwillkürlich umklammert man das Lenkrad fester und sorgt sich um überhitzte Bremsen oder Gegenverkehr. Tief unten im Talgrund liegt unser Ziel: Das Dorf Batopilas. Es ist bereits dunkel, als wir dort müde aber glücklich eintreffen. Obwohl wir mit der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft dieser Menschen nur die besten Erfahrungen gemacht haben, ziehen wir es jeweils doch vor, in der Nähe von Dörfern oder Farmen zu übernachten, denn es treiben sich in dieser Gegend auch andere Gestalten herum. Zum einen ist diese Region ein wichtiges Drogenanbaugebiet und zum anderen ist es Tatsache, dass die Eisenbahn immer wieder überfallen wird, so geschehen vor wenigen Monaten, als auch drei Touristen erschossen wurden.

Zwei Tage später erreichen wir das eigentliche Ziel dieser strapaziösen Fahrt und blicken vom Nordrand des Kupfer-Canyons in die eintausendachthundert Meter tiefe Schlucht hinunter. Am kleinen Bahnhof verkaufen Tarahumara-Indianerinnen ihre Handarbeiten und Mestizen bieten den Reisenden Tortillas mit höllisch scharfen Füllungen an. Die Tarahumaras blieben nach der Ausrottung der Apachen der mit Abstand bedeutendste Indianerstamm im dünnbesiedelten, nördlichen Mexiko. Sie liessen sich weder missionieren noch nahmen sie Kontakt mit Weissen oder Mestizen auf. Einige Familien leben heute noch wie vor tausend Jahren in zugemauerten Höhlen, ähnlich den Ureinwohnern des Colorado-Plateaus, deren Ruinen wir vor einigen Monaten besichtigten. Doch auch für die Tarahumaras wird es zunehmend schwieriger, ihre alten Traditionen zu bewahren und der vordringenden Zivilisation standzuhalten. Es bricht einem jeweils fast das Herz, wenn man die bewundernden und sehnsüchtigen Blicke der kleinen Indianer-Kinder auf die unkompliziert westlich gekleideten und mit teuren Spielzeugen hantierenden Altersgenossen der vermögenderen Mittelschicht oder Touristen sieht.

Reiche Silbervorkommen und ideale klimatische Bedingungen liessen die Eroberer im zentralen Mexiko Städte zuhauf errichten. Ortschaften wie San Miguel Allende, Guanajuato, Taxco oder Pátzcuaro sind auch heute noch wahre Kleinode und lebende Museen, wo es auf Schritt und Tritt etwas zu entdecken gibt, wo Musikanten durch die Gassen oder über die Plaza ziehen und den Flanierenden oder Ausruhenden ein Ständchen darbieten. Viele Orte sind zudem auf gewisse handwerkliche Erzeugnisse spezialisiert, so findet man in Taxco in fast jedem zweiten Haus ein Geschäft für Silberwaren, in Paracho für Musikinstrumente oder in Santa Clara del Cobre für Kupferwaren, währenddessen in den Dörfern und Städten um Pátzcuaro verschiedenste Töpferwaren in riesiger Auswahl angeboten werden.

 

Auch die Wunder der Natur kommen in diesem Land nicht zu kurz. Hoch oben in den Bergen, gar nicht weit von Mexiko City, befinden sich mehrere Überwinterungsplätze der Monarch-Schmetterlinge. Mit tatkräftiger Hilfe eines Führers gilt es zuerst unzählige Treppenstufen und viele Höhenmeter zu überwinden, bis wir erschöpft und trotz der kühlen Morgenstunden verschwitzt am Ziel ankommen. Als Unkundiger würde man vorerst gar nichts Spezielles an diesem Ort finden, nur ein Botaniker würde sich vielleicht über die seltsamen Flechten oder Parasitenbewüchse an einigen Bäumen wundern. Beim genaueren Hinsehen sieht man aber, dass es sich bei den vermeintlichen Flechten um ungeheure Mengen von Schmetterlingen handelt, die sich, zu Knäueln zusammengeballt, gegenseitig wärmen. Nach und nach dringen die ersten Sonnenstrahlen durch den Wald und einzelne Schmetterlinge beginnen sich von dem Ballen zu lösen. Je wärmer es wird, umso mehr füllt sich der Himmel mit den goldbraunen Faltern. Die Luft fängt an zu schwirren.

Durch Sumpfgebiete mit moosbehangenen Zypressen, unter denen so mancher Alligator geduldig auf eine Beute wartet und vorbei an weitausladenden, uralten Eichenhainen mit prächtigen Plantagen-häusern, fahren wir dem sich durch die Lande schlängelnden Mississippi entlang. Später nimmt uns der Natchez Trail Parkway auf, eine vom Nationalpark-Service schon in den Dreissigerjahren erbaute und seither auch von ihm unterhaltene Strasse. Der Parkway ist eine Einrichtung, wie es sie nur in den USA geben kann: Achthundert Kilometer Strasse erster Güte, auf der jegliche kommerziellen Fahrten untersagt sind. Man meint, fast die ganze Zeit durch Wälder zu fahren, doch handelt es sich nur um einen schmalen Streifen, hinter dem sich die Felder und Wiesen der unzähligen Farmen ausbreiten. Für diejenigen, die es nicht eilig haben, ist es eine schöne und entspannte Fahrt, die auch immer wieder für kurze Wanderungen unterbrochen werden kann. Der Parkway folgt dem historischen Natchez-Trail, einem Trampelpfad, den schon die Ureinwohner seit Jahrtausenden benutzten.

 

Dann verlassen wir den Golf wieder und biegen auf den Trans-Labrador-Highway ab, der uns über eintausendzweihundert meist ungeteerte Kilometer noch weiter nördlich bringt. Menschenleere, typisch nordische Wildnis mit Fichten- und Birkenwäldern, Moorlandschaften und unzähligen Seen und Flüssen breitet sich bis zum fernen Horizont aus. Die nur etwa dreissigtausend Seelen zählende Bevölkerung des riesigen Labradors wohnt hauptsächlich an der Küste oder in Arbeitersiedlungen um Wasserkraftwerke oder Bergbauzentren. Goose Bay liegt auf 53 Grad nördlicher Breite an der gleichnamigen, tief ins Landesinnere eingeschnittenen Bucht am Atlantik und ist die nordöstlichste auf dem Landweg erreichbare Ortschaft Kanadas. Hier endet die Strasse und es bleibt nur noch der Wasserweg. Fünfunddreissig Stunden dauert die Passage mit einer modernen Fähre zur Insel Neufundland.

Von Halifax wird unser Auto nach Antwerpen verschifft, während wir mit dem Flugzeug nach Amsterdam fliegen. Nach etwas mehr als 1'000 Tagen und 120'000 Kilometern hat uns Europa wieder.

 

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